Patchwork-Familien im Erbrecht

Unter Patchwork-Familien versteht man Konstellationen, in denen Ehepartner oder Unverheiratete ein oder mehrere Kinder aus früheren Verbindungen mit in die Partnerschaft/Ehe bringen. Besonders konfliktträchtig wird es dann, wenn zu den Stiefkindern noch gemeinsame hinzukommen, denn "Blut ist dicker als Wasser".

Hier ist ein Testament nicht nur sinnvoll, sondern zwingend. Dabei ist in besonderem Maße auf präzise Formulierungen zu achten:

Errichten die Eltern in einer traditionellen Familie ein Berliner Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und „unsere Kinder” zu Schlusserben einsetzen, so besteht kein Zweifel, dass sie mit „unsere Kinder” ihre gemeinsamen ehelichen Kinder gemeint haben.

Wird das gleiche Berliner Testament von Ehegatten errichtet, in deren Haushalt neben gemeinsamen auch Kinder aus früheren Verbindungen der Ehegatten leben, so ist hingegen der Streit beim Schlusserbfall schon vorprogrammiert, weil eben unklar ist, ob die Eltern mit der Einsetzung „unserer Kinder” nur ihre gemeinsamen Kinder oder auch die Stiefkinder gemeint haben.

Der nachfolgende Beitrag, der fortgesetzt wird, beschränkt sich zunächst auf verheiratete Paare.

Interessenlage

Die unterschiedlichen Interessen stellen den rechtlichen Gestalter eines Testamentes vor besondere Herausforderungen; zu nennen sind:

  • das Interesse des Partners,
  • die Interessen des eigenen Kindes,
  • die Interessen des Kindes des anderen Partners.

Ziele

Eine interessengerechte Gestaltung der Erbfolge in einer Patchwork-Familie hängt wesentlich davon ab, welche Ziele die Eltern mit ihren Verfügungen von Todes wegen verfolgen.

Die Ehegatten müssen sich in Form einer Stufenleiter jeweils erst einmal fragen, ob die eigenen Kinder bevorzugt werden sollen oder eine Gleichbehandlung aller Kinder gewünscht wird und wie stark gegenüber den eigenen Kindern und den Stiefkindern das Versorgungsinteresse des Ehepartners gewichtet werden soll.

Ein einfacher Beispielsfall soll dies veranschaulichen:

Frau Schulze hat ein Kind aus einer früheren Verbindung, Herr Schulze ein Kind aus seiner 1. Ehe. Die Ehegatten sind in Ermangelung eines abweichenden Ehevertrages im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet.

Beide Ehegatten haben ein Haus zu gleichen Anteilen gekauft und sie wünschen eine erbrechtliche Regelung, die sicherstellen soll, dass einerseits dem überlebenden Ehegatten die Nutzungen des Nachlasses des Erstversterbenden für den Rest seines Lebens verbleiben; andererseits soll das Miteigentum an dem Haus dem jeweils leiblichen Kind des verstorbenen Elternteils zufallen.

Das Ziel der Erhaltung des eigenen Vermögens zugunsten des leiblichen Kindes wird bei Anwendung der Regeln über die gesetzliche Erbfolge nicht erreicht.

Denn stirbt z.B. Herr Schulze zuerst, so wird er von seinem leiblichen Sohn und seiner Ehefrau zu je ½ beerbt. Seine Stieftochter bleibt von der Erbfolge ausgeschlossen.

Stirbt anschließend auch die Ehefrau, so wird sie von ihrer Tochter allein beerbt. Zu ihrem Nachlass gehört auch das geerbte hälftige Nachlassvermögen ihres vorverstorbenen Ehemannes.

Im Ergebnis erhält also die Tochter nicht nur u.a. das hälftige Miteigentum ihrer Mutter am Haus, sondern auch ein Viertel Miteigentum am Haus aus dem Nachlass ihres Stiefvaters (zur Erinnerung: beide Ehegatten waren zu je 1/2 Eigentümer).

Vor- und Nacherbfolge

Soll daher einerseits der überlebende Ehegatte abgesichert, andererseits verhindert werden, dass dessen Kinder aus einer früheren Verbindung am Vermögen des erstversterbenden Partners teilhaben, so bietet sich die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments an, in dem die Ehegatten sich gegenseitig zu (befreiten) Vorerben und nur die eigenen leiblichen Abkömmlinge zu Nacherben einsetzen.

Um der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen durch Vor- oder Nacherben vorzubeugen, sollten zusätzlich Pflichtteilsverzichte der Ehegatten und der leiblichen Kinder erklärt werden.

Hat nur einer der Ehegatten ein Kind aus einer früheren Beziehung eingebracht, so reicht es aus, wenn nur dieser Ehegatte durch die Anordnung von Nacherbfolge beschränkt wird.

Der andere Ehegatte, der entweder keine oder nur gemeinsame Kinder mit seinem neuen Partner hat, kann demgegenüber zum unbeschränkten Vollerben eingesetzt werden; denn die Gefahr, dass Vermögenswerte an ein Stiefkind fallen, besteht dann in seiner Person nicht.

Die mit der Anordnung von Vor- und Nacherbfolge angestrebte Ausschließung der Stiefkinder von der Nachlassteilhabe kann durch Zuwendungen der Ehegatten zu Lebzeiten oder durch Verträge auf den Todesfall gefährdet werden.

Hier ist Vorsicht geboten, denn durch derartige Zuwendungen erhöht sich das Vermögen des Partners, auf das dessen leibliche Abkömmlinge zugreifen können.

Dies gilt insbesondere für Lebensversicherungen mit einem auf den Tod festgelegten Bezugsrecht.

Wird nämlich die Lebensversicherungssumme aufgrund des Bezugsrechts an den überlebenden Ehegatten ausgezahlt, so unterliegt sie nicht den Beschränkungen durch die Anordnung von Vor- und Nacherbfolge, so dass auch die einseitigen Abkömmlinge des Bezugsberechtigten an ihr teilhaben.

Praxistipp:

Das Thema Patchwork-Familie ist komplex und rechtlich anspruchsvoll.

Da neben der Vor- und Nacherbschaft je nach Familiensituation Gestaltungsalternativen in Frage kommen, wie u.a. die Vermächtnislösung mit Wohnungsrechtsvermächtnis oder Nießbrauch, finden Sie bei den Rechtsdokumenten keine Standard-Vorlage für ein entsprechendes Testament.

Lassen Sie sich hierzu von einem Fachkundigen individuell beraten!

In jedem Fall bedenkenswert ist bei Testamenten einer Patchwork-Familie die Anordnung von Testamentsvollstreckung. Warum?

Eine Erbengemeinschaft, bestehend aus einseitigen Kindern und ggf. auch aus gemeinsamen Kindern, bietet regelmäßig ein hohes Konflikt- und Streitpotenzial. Eine aussenstehende, von den Ehepartnern selbst oder dem Nachlassgericht ausgewählte Person kann solche Konflikte entschärfen. 

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